Ein langer Reisetag von Lianyungang nach Shanghai

Als wir auf unserer Fährüberfahrt einer Chinesin erzählten, dass wir von Lianyungang nach Shanghai weiterreisen, meinte sie, dass dies nur ein Katzensprung sei. Auch auf unserer China-Karte sieht die Strecke gar nicht so weit aus. Aber als wir diese Reise in Seoul planten, stellten wir schnell fest, dass wir für diese Strecke (Luftflinie knapp 500km) eine Nacht oder einen ganzen Tag einplanen müssen. Wir standen vor der Wahl einen direkten Nachtzug zu nehmen, welcher diese Strecke in ca. 8 h zurücklegt wir aber von der Gegend nichts zu sehen bekommen oder das wir etwas sehen dafür am Tag fahren. Während des Tages gibt es aber keine direkten Züge. Wir müssen einen Umweg nach Xuzouh machen um dort auf einen Hochgeschwindigkeitszug nach Shanghai umzusteigen. Obwohl diese Strecke 350 km länger ist, wir beim Umsteigen in Xuzouh nicht nur den Zug sondern auch den Bahnhof wechseln müssen, entscheiden wir uns für den zweiten Weg.
Die Planung für diese Reise sowie die Beschaffung der Tickets für die Züge haben wir bereits in Seoul über das Internet erledigt. Das ging über die übersichtlich gestaltete Seite von www.travelchinaguide.com sehr gut und einfach. Nach dem Kauf der Tickets über dieses Portal wurde uns eine E-Ticket-Nummer per Mail mitgeteilt. Mit dieser Nummer gingen wir einfach zum Bahnhof in Lianyungang und holten alle unseren bestellten Tickets ab, also nicht nur die von diesem Bahnhof sonder einfach alle Billette die wir bestellt hatten. Das Abholen der Tickets am Bahnhof war, nachdem wir herausgefunden hatten an welchem Schalter wir uns anstellen müssen, ebenfalls sehr einfach, denn auch hier erlebten wir die Chinesen als sehr freundlich und hilfsbereit.

Das Bahnhofgebäude von Lianyungang ist riesig, vor allem wenn man bedenkt, dass pro Tag nicht einmal 20 Züge abgefertigt werden

Das Bahnhofgebäude von Lianyungang ist riesig, vor allem wenn man bedenkt, dass pro Tag nicht einmal 20 Züge abgefertigt werden


Auch als Baked Sweet-Potato Verkäufer kann man ein Patriot sein

Auch als Baked Sweet-Potato Verkäufer kann man ein Patriot sein


Welcher Schalter ist der Richtige?

Welcher Schalter ist der Richtige?


Es ist noch stockdunkel als wir um 07:30 unser Hotel vollbepackt verlassen und zur Bushaltestelle des Schnellbusses laufen. Auch so früh am Morgen können wir im Park Gruppen von Menschen beobachten die zu den Klängen von traditioneller, chinesischer Musik ihr Morgenturnen absolvieren. Im Expressbus herrscht ein riesiges Puff. Wir zwängen uns ebenfalls dazu und “geniessen” so eine Fahrt in der Chinesischen-Rushhour vom Zentrum von Lianyungang hinaus zum 45 Minuten entfernten, modernen Bahnhof.

Fritierte Teigstengel mit süsser Sojamilch eines der typischen Frühstücksgerichte der Chinesen

Fritierte Teigstengel mit süsser Sojamilch eines der typischen Frühstücksgerichte der Chinesen


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Um das grosse Bahnhofsgebäude zu betreten, müssen wir zuerst unsere Billette zeigen und uns dann einer Sicherheitskontrolle wie wir sie von unseren Flughänfen kennen unterziehen. Obwohl wir fast eine Stunde zu früh sind, ist unser Zug bereits – als nächste Abfahrt – auf einer grossen Anzeigetafel angeschrieben und vor den noch geschlossenen Schranken stehen bereits dutzende von Reisende. Wir haben zwar reservierte Sitzplätze, aber wir versuchen uns ja so gut wie möglich anzupassen also stellen wir uns ebenfalls in die Gruppe der Wartenden. Schnell sind wir umringt von Chinesen, die vor allem mit unseren Kinder reden wollen. Diese Menschen sind auch hier einfach neugierig und haben ein freundlichens Lächeln auf dem Gesicht wenn sie mit uns sprechen. Für unsere Kinder ist diese Situation trotzdem nicht immer einfach, aber wir versuchen ihnen zu erklären, dass es die Leute gut meinen und das wir die Chinesen ja auch interessant finden.

Sicherheitskontrollen wie bei uns am Flughafen

Sicherheitskontrollen wie bei uns am Flughafen


Warten um auf das Perron gehen zu können

Warten um auf das Perron gehen zu können


Etwa 10 Minuten vor Abfahrt unseres Zuges werden wir auf das Perron gelassen. Bis jetzt wurden unsere Billette bereits zwei Mal kontrolliert. Das erste Mal beim Betreten des Bahnhofgebäudes, wo vom Kontrolleur ein Stempel auf jedes Billett gemacht wird. Das zweite Mal als wir auf das Perron gehen, hier werden die Billette vom Kontrolleur am Rand abgeknipst. Und das dritte Mal beim Einsteigen in den Wagen in welchem sich unsere reservierten Sitze befinden. Hier macht der Kontrolleur mit einem Filzstift ein Gekribel auf jedes Billette. Es ist doch erstaunlich wie die Kontrollen in den verschiedenen Ländern anders gemacht werden. Während die Billette in Korea gar nie kontrolliert wurden, geschieht das in China dreimal bevor der Zug überhaupt abgefahren ist und am Schluss der Reise noch einmal, denn beim Verlassen des Bahnhofes werden die Billette noch einmal kontrolliert.

Zum Glück benutzt man wenigstens die Arabischen Zahlen an den Anzeigetafeln

Zum Glück benutzt man wenigstens die Arabischen Zahlen an den Anzeigetafeln


Auf den Perron darf man nur wenn man ein gültiges Billette vorweisen kann

Auf den Perron darf man nur wenn man ein gültiges Billette vorweisen kann


Einmal auf dem Perron hat man viel Platz

Einmal auf dem Perron hat man viel Platz


Die Sitzplätze welche für uns reserviert sind, sind leider auf zwei Abteile verteilt, so dass wir nicht alle zusammen sitzen können. Aber auch hier erleben wir die Chinesen als freundlich und hilfsbereit. Denn wir schaffen es, dass wir zwei unserer Sitze mit zwei anderen Reisenden tauschen können und so sitzen wir glücklich vereint in Einem vierer-Abteil als sich der Zug in Verbindung setzt.
Pünktlich verlässt der Zug den Bahnhof, ist aber auf den ersten Kilometern nur sehr langsam unterwegs. Der Grund ist, dass man hier die Zugslinie erneuert und wir über mehrere dutzende von Kilometern durch eine riesige, dreckige Baustelle fahren. Dort wo die neue Strecke hinkommt, sind die Gebäude bereits abgerissen. Aber es sieht vielfach so aus, als ob die Gebäude nur gerade bis dort abgerissen werden wo die neue Bahnlinie gebaut wird. Einigen der Hausruinen sehen so aus, als ob in den noch stehenden Teilen gewohnt wird. Je weiter wir uns von Lianyungang entfernen umso friedlicher und schöner erscheint uns die Landschaft durch die wir fahren. Die Häuser und Dörfer dort sehen zwar etwas ärmer aus, aber dafür liegt auch kein Abfall herum und fast überall sehen wir Reisfelder. Überhaupt ist die flache Gegend durch die wir fahren mit vielen Flüssen oder Kanälen durchzogen. Auch sehen wir viele Ziegen- und Entenherden, welche zum Teil nicht eingehagt sind, sonder von Chinesen gehütet werden.
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Während in unserem Wagen jeder Reisende einen Platz hatte, ändert sich das bereits nach dem ersten Halt. Nun hat auch der Kontrolleur, den es in jedem Wagen gibt viel Arbeit. Was er genau macht finden wir zwar auf der gesamten Fahrt nicht heraus aber es stehen immer sehr viele Leute bei ihm und das bedeutet, dass auch sehr viele Leute bei uns stehen, denn wir sitzen direkt neben der Theke hinter der der Wagenchef sitzt. Zusätzlich zu denn vielen Passagieren, die nun keinen Sitzplatz mehr haben und im Gang stehen, gibt es auch noch einen offiziellen Verkäufer. Der Verkäufer in unserem Wagen preist zuerst einen Rasierapparat an später kommt er noch mit diversen Gürtel daher, welche er auch während mehreren Minuten anpreist. Es erstaunt uns zu sehen wie viele Rassierapparate und Gürtel er während dieser Fahrt, die etwa 2,5 h dauert, verkauft.

Wer kein Sitzplatzticket bekommt der muss stehen

Wer kein Sitzplatzticket bekommt der muss stehen


Ein offizieller Bahnangestellter preisst seine Ware während der gesamten Fahrt in unserem Wagen lautstark an

Ein offizieller Bahnangestellter preisst seine Ware während der gesamten Fahrt in unserem Wagen lautstark an

In Xuzhou angekommen verlassen wir den Bahnhof und machen uns auf den Weg zur nächsten Bushaltestelle. Von einer freundlichen Busangestellten wird uns geholfen, denn sie sagt uns welcher Bus zum Schnellbahnhof fährt und zeigt uns wo dieser abfährt. Bei der Haltestelle angekommen, fragen wir zur Sicherheit eine Gruppe junger Frauen ob wir hier richtig seien. Eine meint, dass wir hier richtig seien, die andere meint wir seien bereits hier, denn das sei der Bahnhof von Xuzhou. Das hört ein älterer Chinese und nun wird es laut. Aber wir merken, dass er es nicht unfreundlich meint. Wir denken es geht eher nach dem Motto, je sicherer jemand ist umso lauter sagt er es. Auf jeden Fall ist man sich bald einig, dass wir hier richtig sind und den Bus Nummer 3 nehmen müssen.
Als wir in den Bus einsteigen, werden wir auch hier vom Buschauffeur mit einem freundlichen Lächeln begrüsst. Ich möchte bezahlen doch verstehe nicht auf Anhieb wieviel diese Busfahrt kostet. Irgendwann verstehe ich, dass er vier sagt. Ok denke ich 4 Yuan (0.80 Sfr) pro Person. Und hole eine 10er Note heraus und suche nach Münz, Doch er fuchtelt nun aufgeregt mit den Hànden. Nun verstehe ich es, der Preis von 4 Yuan gilt nicht für eine Person, sondern für die ganze Familie!

Im topmodernen Hochgeschwindigkeitsbahnhof essen wir in einem Restaurant eine Nudelsuppe und einen Teller Reis mit Geschnetzeltem. Das Ganze kostet uns 96 Yuan (16.- Sfr) das ist mehr als das wir gestern für unser super feines Znacht mit drei Gängen bezahlt haben. Nach dem Essen trinken wir noch einen Kaffee und die Kinder bekommen ein Stück Torte. Das schlägt mit 112 Yuan (17.- Sfr) zu buche. Es ist unwahrscheinlich wie gross die Preisunterschiede sind hier in China. Die Dumplings gestern morgen auf dem Markt haben uns mit einer Suppe 18 Yuan (3.- Sfr) gekostet und davon sind wir alle satt geworden. Hier im modernen Bahnhof trinken wir einfach einen Kaffee und bezahlen fast das 6-fache und produzieren sicher 10x mehr Abfall als auf dem Markt.
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Auch hier im Topmodernen Hochgeschwindigkeitszugbahnhof warten viele Reisende darauf auf die Perrons gelassen zu werden

Auch hier im Topmodernen Hochgeschwindigkeitszugbahnhof warten viele Reisende darauf auf die Perrons gelassen zu werden


Auch hier im Hochgeschwindigkeitsbahnhof müssen wir zuerst durch eine Sicherheitskontrolle mit Metaldetektoren und Röntgengeräten. Und wir werden ca. 10 Minuten vor Zugabfahrt auf das Perron gelassen, wo der Hochgeschwindigkeitszug pünktlich einfährt. Unsere Enttäuschung über unsere Plätze könnte nicht grösser sein. Unsere Sitze sind in einer Reihe und zwar in der vordersten. Das bedeutet, dass wir direkt vor uns die Verbindungswand zum nächsten Wagen haben. Nun könnte man meinen ist doch nicht so schlimm, dann können wir halt schräg zum Fenster hinausschauen. Weit gefehlt, denn auf der Höhe uneres Sitzes befindet sich ein dicker Fensterrahmen und dann hat es nur noch ein ca. 15 cm breites Mini-Fenster. Und auf der anderen Seite des Ganges hat es nicht einmal das. Dort gibt es nichts weiteres zu sehen als die weisse Wagonwand. Zum Glück macht das unseren Kindern nichts aus. Zuerst spielen und basteln sie und irgendwann spielen sie an ihren Tablets.

Unser Zug nach Shanghai

Unser Zug nach Shanghai


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Der Bahnhof von Shanghai ist gigantisch. Wir laufen durch die riesigen Hallen und die langen Gänge. Alles ist sehr gut auch in Englisch beschildert und darum finden wir den Weg zur U-Bahn schnell und ohne Probleme. Auch die Ticketautomaten, welche auf den ersten Blick mit all den farbigen Linien und den vielen chinesischen Schriftzeichen absolut chaotisch auf uns wirken, sind sehr übersichtlich sobald wir sie auf den englischen Modus stellen. Die Fahrt kostet 4 Yuan (0.70 Sfr) pro Person. Aufgrund der Wegbeschreibung von der Hostel World Seite wissen wir sowohl welche U-Bahn wir nehmen, wo wir aussteigen, welchen Ausgang wir nehmen und wohin wir laufen müssen. Der Anblick der gigantischen Hochhäuser, welche in allen Farben leuchten, haut uns fast aus den Socken. Wir müssen uns das erst einmal anschauen bevor wir uns auf den Weg zum Hotel machen. Auch hier wirkt der Verkehr chaotisch, die elektro Mofafahrer fahren auch hier ohne Licht und sind überall unterwegs. Wir müssen einfach gut auf die Hupzeichen achten. Bei den Kreuzungen gilt auch hier, dass es am wenigsten Autos auf einem Fussgängerstreifen hat wenn wir am Ende der rot Phase für Fussgänger loslaufen, denn sobald die Fussgänger grün haben, bedeutet das, dass auch die Fahrzeuge, welche rechts abbiegen wollen fahren dürfen und die fahren dann genau über den Fussgängerstreifen, bei dem man grün hätte.

Nach einem langen Reisetag erreichen wir kurz nach 19:00 Uhr unser Hotel. Genauer gesagt handelt es sich dabei um das Youth Hostel Rock & Wood. Es besitzt einen gemütlichen, kleinen Aussenbereich mit einem Fischteich sowie eine super gemütliche Lobby mit Bar, Billiardtisch und vielen Tischen. Es ist eine wahre Freude, endlich haben wir eine Unterkunft wie wir uns das gwünscht haben – aber sie haben keinen Platz für uns!
Man sagt uns, dass es aus irgendeinem Grund nicht möglich sei, das wir diese Nacht hier schlafen können. Aber man bietet uns an, dass wir in einem nahen Hotel eine Nacht verbringen können und das wir morgen sicher ein Platz hier haben werden. Unsere Kinder sind sehr müde und darum sind wir nicht sehr begeistert. Doch als uns die freundliche Receptionistin anbietet ein Taxi zu organisieren, dass uns zum anderen Hotel bringt und sie uns begleitet und alles für uns erledigt, da geben wir uns geschlagen und gehen mit ihr mit. Im neuen Hotel angekommen organisiert uns unsere Receptionistin ein Zimmer mit zwei breiten Betten und bezahlt uns den Aufpreis zum Zimmer im Youth Hostel bevor sie uns mit dem Versprechen verlässt, dass wir morgen mit Sicherheit ein Zimmer im Youth Hostel bekommen.

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